„Dentist The World“ organisierte heuer zum 4. Mal das sogenannte „Dental Project“ in Sansibar – und ich hatte das Glück mittels eines Stipendiums, welches von den ÖGP Youngsters zur Verfügung gestellt wurde – teilzunehmen!
Aus verschiedenen Erzählungen und Präsentationen von Freunden konnte ich mir schon ungefähr ein Bild zum Projekt und zum halbautonomen Inselstaat machen. Nun gut, unser Team bestand heuer aus 11 Teilnehmern aus 6 verschiedenen Nationen (Deutschland, Österreich, Polen, Kroatien, Serbien, Italien) – wir waren fast so farbenfroh und vielfältig wie die knallbunten Gewürzstände am Darajani-Markt in Stone Town, der Hauptstadt von Sansibar.
Die Gruppe bestand aus 5 Zahnärzten und 6 Zahnmedizin-Studenten und unser Gepäck bestand hauptsächlich aus Zahnbürsten, Zahnpasten und Behandlungsinstrumenten. Es schien alles perfekt vorbereitet gewesen zu sein, als ich kurz vor dem Abflug am Wiener Flughafen einen Anruf von Michi, dem Projektleiter bekommen hab. „Wir bräuchten noch ein paar Anästhesie-Kanülen, es gibt hier zwar welche – aber das wollen wir den Leuten nicht antun, so dick sind die!“ So klapperten Christina, Emilia und ich gefühlt jede Apotheke Wiens ab und kauften alles an Kanülen was zu finden war – dafür ernteten wir schon mal ordentlich schiefe Blicke von den Apothekern…
Die Anreisetage waren von Donnerstag bis Sonntag und offizieller Projektbeginn war Sonntagabend. An diesem Abend übermittelte uns Michi den ungefähren Ablauf der folgenden 2 Wochen. Dieses „Ungefähr“ kommt nicht von ungefähr, denn die wohl wichtigste Regel, die man als Reisender auf Sansibar beachten muss, lautet: „Pole Pole“ – du kannst nicht wirklich im Voraus alles durchplanen. Übersetzt bedeutet es soviel wie „langsam langsam“ – die wohl wichtigste Lebenseinstellung der meisten Sansibarianer. Alles kann, nichts muss!
Am ersten Tag stand ein Besuch beim Gesundheitsminister und die Besichtigung des Mnazi Moja Hospitals auf dem Programm – gefolgt von einer Tour durch das Gewusel der Altstadt von Stone Town und einem gemütlichen Abend am Strand. Der nächste Tag wurde von allen Beteiligten sehnsüchtig erwartet, denn im Kivunge Hospital gibt es eine Zahnmedizinische Ambulanz, in welcher wir zum ersten Mal behandeln würden. Da es auf Sansibar an Instrumenten und Materialen mangelt, besteht die Schmerztherapie zum größten Teil aus Extraktionen. An diesem Tag wurden allerdings 40 der insgesamt 57 behandelten Patienten konservierend, im Sinne von Amalgamfüllungen oder Wurzelbehandlungen, behandelt – was im Vergleich zu den letzten Jahren ein wahrlicher Erfolg ist.
Versorgte Zahnlücken sind in Sansibar eine Rarität, da es noch an Zahnärzten und den notwendigen technischen Hilfsmitteln mangelt, deshalb ist es umso wichtiger jeden Zahn der erhaltungswürdig ist, solange wie nur möglich zu erhalten! Kommunikationstechnisch waren wir noch nicht wirklich auf zack, unser Suahili-Wortschatz war definitiv ausbaufähig. Neben „Jambo“, „Mambo“ und „Poa“ gab es noch „Hakuna Matata“, aber recht viel mehr war da nicht! Deshalb waren wir auf die Hilfe der lokalen Dentaltherapeuten und Zahnärzte angewiesen.
Der darauffolgende Tag war der wohl spannendste Behandlungstag, es ging nämlich auf die Halbinsel Uzi Island im Süden von Sansibar, welche – bedingt durch die starken Gezeiten auf Sansibar – nur zu bestimmten Tageszeiten erreichbar ist. Dort angekommen, bauten wir unsere Behandlungseinheiten, die aus einem Stuhl und einen Tisch bestanden, auf und begannen mit den Behandlungen. Suahilitechnisch waren wir dieses Mal etwas besser vorbereitet, zumindest habe ich das bis zum Schreiben dieses Berichtes gedacht. „Lipi linaouma jino?“, heißt anscheinend soviel wie: „Welcher Zahn tut weh?“, – der Google-Übersetzer zeigt jetzt allerdings komplett etwas Anderes an… Naja gut, irgendwie – mit Hand und Fuß – hat man schon rausgefunden, welcher Zahn schmerzt und extrahiert werden sollte.
Da die Sterilisation von Instrumenten aufgrund der fehlenden Stromversorgung nicht möglich war, galt die Regel, pro Extraktion nur ein Instrument zu verwenden, da wird man schon mal erfinderisch! Ein zweiter limitierender Faktor war die Flut, welche die Zufahrtsstraße überschwemmt, die uns leider gezwungen hat die Halbinsel vor 16 Uhr zu verlassen. Am Ende dieses Tages hatten wir 197 Patienten behandelt.
Neben zahnmedizinischen Behandlungen war ein nicht minderer Aspekt des Projekts, die lokalen angehenden Zahnärzte und Zahnmedizinstudenten zu instruieren und v.a. den Patienten Prophylaxeinstruktionen zu geben. Geschätzte 1.500 Zahnbürsten und 1.500 Zahnpasten wurden über die 2 Wochen an Kinder und Erwachsene verteilt. Prof. Ana Pucar aus Serbien, die wohl erfahrenste Zahnärztin in unserem Team, hat auch mehrere Vorlesungen zum Thema Parodontitis bzw. Parodontitis in Zusammenhang mit systemischen Erkrankungen gehalten.
Freizeitbeschäftigungen kamen natürlich auch nicht zu kurz, so haben wir beispielweise an der obligatorischen „Spice-Tour“ teilgenommen. Hierzulande ist dieser Gewürzplantagen-Ausflug vergleichbar mit einem Faschingstag, denn schon nach kurzer Zeit hat jeder gelb gefärbte Zähne vom Kauen der frischen Kurkuma und bemalte Gesichter von der sog. Bixa Orellana, auch Lippenstiftfrucht genannt. Neben Pfeffer, Nelken, Muskatnuss, Lemongrass, Zimt, Ingwer und der sauer schmeckenden Sternfrucht, gibt es noch viele andere interessante Früchte und Gewürze; ein reines Geschmacksspektakel! Sehr interessant war auch ein Ausflug nach Prison Island, welche für gewaltsame Sträflinge und Geisteskranke angedacht war.
In dem Schutzgebiet sind einige Aldabra-Riesenschildkröten beheimatet, wir hatten das Privileg einen äußerst umständlichen Geschlechtsakt dieser häufig über 150 Jahre alten Tiere mitzuerleben. Geplant und auch schon bezahlt war am Ende dieses Tages eine festliche Barbeque-Grillerei, von der allerdings niemand auf der Insel wusste. Zurück am Festland war „Captn Chebbi“, sowie der Organisator sich selbst genannt hat, nicht mehr auffindbar – trotz seiner unverwechselbar fehlenden Frontzähne 11 und 21…
Die erste Woche in Stone Town war vorüber, und wir übersiedelten nach Nungwi, eine Stadt im Norden der Insel. „Pole Pole“ hat leider keinen wirklichen Bezug zum Straßenverkehr, neben dem ungewohnten Linksverkehr kommen Schlaglöcher und nicht vorhandene Stoßdämpfer dazu. In Nungwi waren wir das Wochenende über; dort haben wir viel Zeit am wunderschönen weitläufigen weißen Postkarten-Idyll-Strand verbracht, der eine oder andere klagte im Nachhinein logischerweise über Sonnenbrand.
Am Montag hatten wir einen weiteren Behandlungstag im Makunduchi Hospital und wieder wurden sehr viele Patienten konservierend behandelt. Bei gefühlten 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von ca. 80% kommt man da schon mal ins Schwitzen. Bei schwierigen Extraktionen konnte man sich an einen lokalen Zahnarzt bzw. Dentaltherapeuten wenden, der hilfreiche Tipps und Tricks parat hatte, oder manchmal auch durch Anlegen von Eigenhand das Leid des Patienten verkürzte.
Am Mittwoch den 20. März 2019, dem „World Oral Health Day“, ging es zurück nach Stone Town. Nach einer Willkommensrede des Gesundheitsministers wurden anwesenden Leuten Mundhygieneinstruktionen gelehrt und ein Dentales Screening durchgeführt. Die Personen konnten sich dann in weiterer Folge in einem der Spitäler behandeln lassen. In der Unguja Ukuu School wurde am letzten offiziellen Projekttag nochmals mithilfe eines umgedichteten Liedes und Schaupuppen Hygieneinstruktionen erteilt, zusammen Zähne geputzt und wiederum Zahnbürsten und Zahnpasten verteilt – „we will, we will brush teeth!“
Unsere 11-köpfige Truppe hatte einen sehr guten Zusammenhalt, im zahmedizinischen Fachjargon würde man sagen: „Wir haben extrem gut gebondet!“
Diese unvergesslichen zwei Wochen sind leider viel zu schnell vergangen und der Alltag hat mich schon wieder eingeholt. Ich bedanke mich bei „Dentist The World“ für die reibungslose Organisation und den einwandfreien Ablauf dieses Projekts, und bei den ÖGP Youngsters, welche mir die Teilnahme am Projekt ermöglicht haben. Die vielen Erfahrungen, die ich durch dieses Projekt sammeln konnte, und die Freunde, die ich dadurch kennenlernen durfte, werden mir unvergesslich bleiben. DANKE!