Freier Zucker und gingivale Entzündung – Zusammenfassung einer Systemischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Gingivitis ist eine Biofilm-induzierte Erkrankung, die weltweit sehr prävalent ist und als Risikofaktor für die Entstehung von Parodontitis gilt. Neuere Studien im Bereich der Ernährung haben diesen kausalen Zusammenhang zwischen Biofilm und Krankheitsentstehung jedoch in Frage gestellt, indem sie trotz gleichbleibender oder sogar erhöhter Plaquewerte eine reduzierte gingivale Entzündung zeigten. Daher wird diskutiert, dass die Ernährung ein prognostischer Faktor oder ein vermeintlicher Risikoindikator für Zahnfleischentzündungen sein kann.
Die systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von J.P. Wölber et al. untersuchte die Zusammenhänge von freiem Zuckerkonsum und gingivaler Entzündung bzw. ob eine Reduktion der Zuckeraufnahme Einfluss auf die Entzündung hat. Von 1777 gefundenen Studien konnten neun eingeschlossen werden, wobei insgesamt 209 Probanden zur Analyse zur Verfügung standen. Die Probanden hatten initial keine oder milde gingivale Entzündungen und wurden in den Interventionsgruppen einer zuckerreichen Diät oder sogar einer Zuckerlösung als Mundspülung (bis zu neun Mal täglich!) zugeführt. Die Kontrollgruppen erhielten entweder Zuckerersatzstoffe oder wurden angehalten eine zuckerarme Diät einzuhalten. Dauer der Intervention lag zwischen 5 Tagen und zu 3 Wochen. Als Endpunkte wurden Blutung der Gingiva (BOP, GI, GBI, PBI) und/oder Vorhandensein von Plaque (VPI, PI, PL) herangezogen.
Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigten, dass ein reduzierter Konsum von freiem Zucker signifikant mit einer geringeren Zahnfleischentzündung verbunden war. Die Studienergebnisse wurden im Hinblick auf ihre möglichen pathologischen Mechanismen, ihre Auswirkungen auf die Behandlung und Vorbeugung von Zahnfleischentzündungen sowie auf methodische Stärken und Schwächen diskutiert. Was den zugrundeliegenden pathologischen Prozess betrifft, so könnten mehrere Mechanismen den beobachteten signifikanten Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Zahnfleischentzündung erklären. Erstens könnten diese Effekte auf eine lokale Wirkung auf die Gingiva zurückzuführen sein, denn es gibt Hinweise darauf, dass der orale Biofilm Zucker zu kurzkettigen Carbonsäuren (SCCAs) umwandelt, die wiederum eine entzündungsstimulierende Wirkung auf die Gingiva haben können. Lokale Wirkungen von freiem Zucker auf das Zahnfleisch können auch auf systemische und vaskuläre Effekte zurückzuführen sein, die durch den Zuckerkonsum verursacht werden, weil Verzehr von freiem Zucker nachweislich zu Hyperglykämie, oxidativem Stress, Gefäßentzündungen und Endotheldysfunktion führen kann.
Was können wir aus dieser systematischen Übersichtsarbeit nun in unserer täglichen Praxis umsetzen und unseren Patient*innen empfehlen?
Die Einschränkung des Verzehrs von freiem Zucker geht mit einer geringeren Entzündung des Zahnfleisches einher.
Informationen zur Prävention von Gingivitis und Parodontitis – inklusive Hinweis auf eine möglichst gesunde und zuckerarme Ernährung – findet man auf der Homepage der EFP unter folgendem Link: Gum disease: Prevention – European Federation of Periodontology (efp.org)
Die gesamte Publikation findet ihr hier: Free sugars and gingival inflammation: A systematic review and meta‐analysis (wiley.com)
Woelber, J. P., Gebhardt, D., & Hujoel, P. P. (2023). Free sugars and gingival inflammation: A systematic review and meta‐analysis. Journal of Clinical Periodontology.
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