„Parochirurgie – vom Schnitt bis zur Naht“,…
…so lautete das schnittige Motto in der Gersberg Alm, wo die junge Generation an Parodontologie-Interessenten bei herrlichem Schneetreiben am Fuße des Gaisberges zusammengefunden hatten. Im zweitägigen Symposium hatten die Organisatoren rund um die ÖGP Youngsters die Erwartungen wiedermal getroffen und boten den limitierten 40 Teilnehmern alles was das Paro-Herz begehrt.
Zu Beginn konnten die Teilnehmer die theoretische Einführung im Bereich regenerativer und resektiver Parodontaltherapie erlernen bzw. auffrischen und diese beim anschließenden Hands-On-Kurs mit namhaften Parodontologen wie Prof. Dr. Andreas Stavropoulos (Malmö) oder Prof. Dr. Péter Windisch (Budapest) vertiefen. Beim abendlichen Side-Event wurden weitere Fertigkeiten wie dem „Eis-Schnitzen“ unter Beweis gestellt. So mancher Zahnarzt (oder doch Eiskünstler?) zeigte außergewöhnliches Fingerspitzengefühl. Böse Zungen behaupteten, dass der Einfluss von Glühwein hierbei das Ergebnis positiv beeinflusst hätte. Das Highlight war jedoch ein Fibrin-Workshop mit dem Titel „Platelet rich fibrin – Be Dracula and produce your own membranes“, der die Möglichkeit bot, praktisch ein Gefühl für die aus PRF fabrizierten Membranen zu erlangen.
Parodontale regenerative Therapie: Warum, wann und wie?
Prof. Dr. Andreas Stavropoulos und Prof. Dr. Péter Windisch machten den Start mit einer spannenden Vortragsreihe über regenerative Behandlungsmöglichkeiten. „Das Ziel einer regenerativen Therapie ist das Stützgewebe des Zahnes vollständig wiederherzustellen.“ Maßgeblich dabei ist die Neubildung von Wurzelzement mit Etablierung von Kollagenfasern auf den zuvor freigelegten bzw. betroffenen Bereichen der Wurzel.
Die Neubildung von Knochen und dem parodontalem Ligament finden dabei im besten Fall parallel statt. Die klinischen Umsetzungsmethoden und der Einsatz von Materialien sind variantenreich; wie z.B. durch die Schmelzmatrixproteine, gesteuerte Geweberegeneration (GTR) mit Membranen, autogene/allogene/xenogene Knochenersatzmaterialien, alloplastische Materialien, uvm. Die Regeneration hängt im großen Maß von den Fähigkeiten des Behandlers ab, neben einer gewissen Fingerfertigkeit sind aber auch die korrekte Operationsmethode und die korrekt eingesetzten regenerativen Materialien relevant. Die präsentierten Fälle gaben einen Überblick über die eingesetzten parodontalen Regenerationsverfahren mit Fokus auf Intraossäre- und Furkationsdefekte. Beim anschließendem Hands-on-Kurs wurden 4 Arten von parodontalen Defekten mit speziell dafür entworfenen Modellen gemäß den Indikationen behandelt und anschließend mit speziellen Nähten verschlossen.
Resektive Chirurgie im parodontalen Behandlungskonzept: noch zeitgemäß?
Bei einem Vortrag von Dr. Francesco Ferrarotti (Turin) ging es mit viel südländischer Zuneigung um die sog. Fibre retention osseous resective surgery für den neuen/alten Ansatz der Tascheneliminierung bei u.a. interdental liegenden Knochenresorptionen. Allgemein ist festzuhalten und in mehreren Langzeitstudien dokumentiert, dass eine chirurgische Behandlung von tiefen ossären Defekten besser Ergebnisse erzielt als eine nicht-operative Therapie. Zum Beispiel bei flachen intraossären Defekten von weniger als 3 mm und erhöhten Sondierungstiefen, wo eine regenerative Therapie nicht indiziert ist, führt eine resektive Chirurgie – auch abgekürzt ORS (osseous resective surgery) – inkl. apikalem Verschiebelappen, zu einer langfristigen Eliminierung von erhöhten Sondierungstiefen.
Die Idee der Fibre Retention Osseous Resective Surgery ist eine Reduzierung des umliegenden Stützknochens und eine neue Konturierung des Knochenkammes unter Berücksichtigung des mineralisierten Gewebes und des suprakrestalen Bindegewebsansatzes. Dr. Ferrarotti führte weiter aus, dass die Ziele resektiver Maßnahmen das Erreichen von minimalen Sondierungstiefen, die Wiederherstellung von Knochen- und Gingivakonturen und die Etablierung einer angemessenen keratinisierten Gingivabreite mittels Hart- und Weichgewebsmanagement sind. Die resektive Parochirurgie ist somit nach wie vor wichtiger Bestandteil eines parodontalen Behandlungskonzeptes.
Direkte orale Antikoagulantien
Bei einem weiteren interessanten Vortrag ging es mehr um ein allgemeinmedizinisches Thema, welches aber chirurgisch tätige Zahnärzte sehr wohl betrifft: Antikoagulation! Das Feld der Gerinnungshemmung wurde die letzten 10 Jahre komplett neu aufgerollt. Wurde früher fast ausschließlich mit Vitamin K Antagonisten gearbeitet, sind diese Medikamente heute nur mehr Nischenprodukte. Direkte orale Antikoagulantien (DOACs) haben nun Marcoumar und Sintrom in der Indikation Vorhofflimmerarrhythmie und venöse Thrombose abgelöst.
Grundwissen über Gerinnung sowie über diese direkten oralen Antikoagulantien wurden im Referat von Dr. med. univ. Paul Gressenberger, Assistenzarzt an der klinischen Abteilung für Angiologie in Graz, vermittelt. Nachstehend für Sie die wichtigsten Punkte, die bei der Einnahme von direkten oralen Antikoagulantien beachtet werden sollten:
- DOACs sind aufgrund ihres positiven Blutungsprofils derzeit in den Indikationen VHFA und VTE VKA vorzuziehen
- Klare Pharmakokinetik der DOACs (direkte orale Antikoagulanzien) – daher kein BRIDGING (Überbrückung einer Antikoagulanzientherapie) bei größeren Operationen bzw. Eingriffen indiziert
- Vorteile von DOACs gegenüber VKA (Vit.-K-Antagonisten) für zahnärztliche Eingriffe: rascher Wirkungseintritt mit einem Spitzensiegel nach 1-3h und kurze HWZ von 7-15h
- Die meisten Zahneingriffe sind unter voller Antikoagulation möglich
- Müssen mehrere Zähne gezogen werden, ist ein Delay zur letzten DOAC-Einnahme von mindestens 4 Stunden anzustreben
- Bei Blutungen nach zahnärztlichen Eingriffen sind lokale Blutstillungsmaßnahmen ausreichend
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Do’s and Don’ts im Marketing für die Zahnarztpraxis
Unumstritten ist die Wichtigkeit unserer fachlichen Kompetenz, doch in der heutigen Zeit ist Marketing und ein entsprechender Online-Auftritt nicht mehr wegzudenken! Günter Lichtner gab einen kurzen Einblick zu dieser Thematik unter anderem anhand guter und weniger guter Beispiele von Zahnarzt-Homepages. So stellte er beispielsweise auch zu Recht die Frage, warum fast immer ein Zahn in unseren Logos zu finden ist, Apple® hat ja bekanntermaßen auch eine Obstsorte als Logo und keinen Computer…
Eine anschließende Diskussion in Richtung neuen Datenschutzregelungen zeigte schnell wie umfangreich dieses Thema ist, aber auch wie groß das Interesse der Teilnehmer daran war!
Vom Schnitt bis zur Naht – doch was passiert in der parodontal regenerativen Therapie zukünftig dazwischen?
Zum Abschluss des zweitägigen Symposiums referierte Dr. Michael Müller, Spezialist im Bereich Parodontologie aus Wien, über state-of-the-art in der parodontalen regenerativen Therapie.
Frei nach dem Leitspruch „Viele Wege führen nach Rom“, beinhaltet die korrekte Therapiewahl eine Vielzahl von Kriterien, die berücksichtigt werden müssen. Die Indikationen richten sich nach knöchernen Defektmorphologien sowie nach der Taschenform, welche in supraalveoläre und infraalveoläre gegliedert werden können. Sogenannte Decision Charts von Avila et. al. 2009, Grading- und Klassendiagramme von Papapanou 2009 oder Entscheidungsdiagramme von Sculean et al. können vorab die Selektion erleichtern.
Vielversprechend sind eingesetzte Wachstumsfaktoren, die nach einer direkten Blutentnahme gewonnen werden. Platelet-rich plasma (PRP) in Gel-form war die erste Generation, die in der parodontalen regenerativen Therapien verwendet wurde. Während die möglichen Vorteile dieses Verfahrens aufgrund fehlender Standardisierungen zu kurz kamen, etablierte sich die zweite Generation von autologen Wachstumsfaktoren, die sog. Advanced Platelet-rich fibrin (PRF) Behandlungsmethode von Prof. Choukron. PRF hat die gleichen Eigenschaften wie PRP mit den Vorteilen der Osteogenität und einem einfacheren Herstellungsverfahren. Concentrated growth factors (CGF) wurden das erste Mal von Corigliano et al. im Jahr 2010 entwickelt. CGFs werden mittels spezieller Zentrifugen in abwechselnden und kontrollierten Geschwindigkeiten aus Blutproben gewonnen. Diese isolierte Fibrinmatrix ist reicher und dichter an Wachstumsfaktoren und ermöglicht dadurch womöglich mehr Knochenbildung als PRP/PRF (siehe Park et al 2016). Rodella et al. zeigten neben den TGF-β1 (transforming growth factor beta), VEGF (Vascular endothelial growth factor) und RBC (red blood cell) Faktoren eine hohe Anzahl an hämathopoetischen Vorläuferzellen CD34, die eine wichtige Rolle bei der Gefäßerhaltung, Neovaskularisation und Angiogenese spielen.
Dr. Müller zeigte anhand klinischer Fälle, dass in der regenerativen Paro-Behandlung ein Einsatz von CGF in Kombination mit bovinem Knochenersatzmaterial eine deutliche Reduktion der Sondierungstiefen und ein Gewinn von Attachment Level erzielen kann. Des Weiteren könnte ein Einsatz von CGF in der „Socket/Ridge-Preservation“ liegen, denn bei der Spontanheilung von Extraktionsalveolen kommt es stets zu einem Verlust von Alveolarvolumen und ersichtlichen Resorptionen.
Autor: Cand. Med. Dent. Leon Golestani, BSc
Leon Golestani studiert Zahnmedizin an der Danube Private University, Krems. Parallel absolviert er dort den Studiengang Medizinjournalismus.
Das ÖGP YOUNGSTERS TEAM dankt allen Teilnehmern, Sponsoren, Ausstellern für die gelungenen Veranstaltung!
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